Was erfahrene Betonwerker und Straßenbauer schon immer machten, wenn sie Bäume schützen wollten: sie verpackten sie! Diese Tugend ist über Jahre hinweg in Vergessenheit geraten, galt es doch, per Kahlschlag den Straßen ein schnittiges Aussehen zu verleihen. Es könnte ja ein Baum auf die Straße treten und einen Unfall verursachen!
Den Bäumen in der Birkenstraße scheint dieses Schicksal erspart zu bleiben. Die Landschaftsbaufirma, die schon in einigen Baum“fällen“ auftragsgemäß auf Geheiß des Rathauses die Motorsäge einsetzen mußte, hat im 1. Bauabschnitt die Bäume mit Schutzvorrichtungen versehen. Lobenswert; zu sehen in unserer neuen Bilder-Galerie „Es tut sich was!“
Wir sind gespannt,wie die Straßenbaufirma nun diesen Schutz respektiert!
Auf „Es tut sich was!“ wird alles dokumentiert!
Aus: Ausgabe vom 01.04.2016, Seite 10 / Feuilleton
Was merkt der Baum?
David G. Haskell prüft das »Verborgene Leben des Waldes« für Entdecker und Ignoranten
Von Thomas Behlert
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Wanderer, kennst du die »gallertartige Nahrungshülle« zu deinen Füßen?
Foto: Frank Rumpenhorst/dpa/lhe
David G. Haskell: Das verborgene Leben des Waldes. Ein Jahr Naturbeobachtung. Aus dem Amerikanischen von Christine Ammann, Verlag Antje Kunstmann, München 2015, 325 S. 22,95 Euro
Ja, ja, im Wald wohnen die Räuber, die Eulen und die Förster. Und früher einmal hat da die Grüne Partei gewohnt. Und noch früher die deutsche Romantik. Besonders der deutsche Wald ist Schwurbel, Mystik und politisch betrachtet tendenziell modrig und matschig.
Aber man spaziert trotzdem gern drin rum, am besten, ohne über den Wald zu reden. Angesichts des bizarren Überbaus scheint das die beste Option. Oder vielleicht auch nur die zweitbeste, denn wenn man ein bisschen Ahnung von Pflanzen hat, geht man bewusster durch den Baumbestand. Da können schon mal Fragen aufkommen, die nicht nur von Kindern gerne gestellt werden: Spürt zum Beispiel diese große Tanne, wenn man ihre Äste abbricht? Oder: Wenn die Spaziergänger den Baum nicht bemerken, bemerkt er ihren stapfenden Gang?
Um sich in dieser Richtung etwas mehr Wissen anzueignen, sollte kein Naturfreund an David G. Haskells neuem Buch »Das verborgene Leben des Waldes« vorbeigehen. Darin beschäftigt sich der Biologieprofessor, Naturwissenschaftler, Schriftsteller und Waldverrückte ein Jahr lang mit ein und demselben Quadratmeter Wald. Ständig auf den Knien, mit Fotoapparat, Lupe und Notizbuch, mit viel Zeit und noch mehr Geduld schaute er immer wieder auf die Kleinsten des Waldes, auf die Flechten und Moose, und besah sich Tierspuren, das Wirken der Salamander, Insekten und der Eiskristalle auf einem Stückchen Erde in einem Bergwald in seiner Nachbarschaft. Haskell lehrt an einer Privatuni in Sewanee, Tennessee, und stand auch schon einmal kurz vor dem Pulitzerpreis. Er schreibt durchaus philosophisch bis poetisch über die Wurzelzonen und die Rhizosphäre, erläutert spannend wie in einem guten Krimi die Abläufe und Aktivitäten an den Wurzelhaaren, wo sich wegen der »gallertartigen Nahrungshülle« Mikroben, Fadenwürmer, Insekten und Pilzfäden wie vor einem »Schnellimbiss zur Mittagszeit drängeln«.
Haskell wirft sich voll in die Wissenschaft. Eine Anstrengung, die er stilbewusst literarisieren kann. Grenzerfahrungen werden gemacht und festgehalten: »Ich möchte die Kälte spüren wie die Tiere im Wald, ohne schützende Kleidung. Aus einer Laune heraus werfe ich Handschuhe und Mütze auf den gefrorenen Boden, lasse den Schal folgen. Dann ziehe ich blitzschnell den kälteisolierenden Overall sowie Hemd, T-Shirt und Hose aus. Die ersten zwei Sekunden ist das Experiment überraschend erfrischend; ohne die stickige Kleidung ist es angenehm kühl. Doch dann fegt der Wind alle Illusionen hinweg, und mein Kopf ist schmerzbenebelt. Die Wärme strömt aus meinem Körper, meine Haut brennt.«
Die typischen Kinderfragen, etwa, wie sich Pflanzen vor Krankheiten und Insekten schützen, bleiben trotz vollem körperlichen wie geistigen Einsatz des Autoren weiter unbeantwortet. »Wir sind Forscher, die vor einem düsteren Dschungel stehen, die seltsamen Gestalten im Erdreich beglotzen, einige unserer auffälligsten Entdeckungen benennen und ansonsten reichlich ahnungslos sind«.
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